Meine Damen und Herren, ich darf Sie hier in der Ausstellung „Wasserpflanzen und andere Blumen“ von Elke Heber begrüßen.


Um mich kurz vorzustellen: ich heiße Lothar Rericha bin Maler und Grafiker (wie Frau Heber) unterrichte an der selben Einrichtung wie Frau Heber und bin – nicht nur der erstgenannten Tätigkeit wegen – auch ein Nutzer von Kunst jeglicher Form um mich am Leben zu erhalten. Und zu den Kunstobjekten die für mich von essentieller Bedeutung sind gehören auch die Bildschöpfungen von Elke Heber.

Aus diesem Grund bat ich Frau Heber hier einige Worte sagen zu dürfen. Weniger um Elke Heber hier vorzustellen – da gibt es entsprechende Literatur – oder um nochmal alle Bildtitel aufzuzählen und das dargestellte zu beschreiben. Vielmehr ist es mir ein echtes Bedürfnis, jenen, die vielleicht diese Bilder noch nicht in die Kategorie notwendiger Lebensmittel eingeordnet haben, Anregungen dazu zu geben. Die Bilder sind es wert.

Da ich weiß, dass aktuelle Kunst oft durch schon allgemein anerkannte Kunstprodukte legitimiert werden muss und ich mein Anliegen dadurch auch besser kommunizieren kann, will ich ein Haiku, ein Kurzgedicht, des Japaners Bashõ, er lebte von 1644 bis 1694, heranziehen.

Das Haiku lautet:

Der alte Teich.
Ein Frosch springt hinein –
das Geräusch des Wassers.

Nehmen wir die Fakten: ein alter Teich, ein tätiger Frosch und ein Geräusch. Da ist nichts sensationelles und trotzdem öffnen sich über diese Worte und das Mysterium ihres Zusammenklanges im Zuhörer seit Jahrhunderten Welten, die er schon kennt, die er aber noch nie so gesehen hat, Gefühle, die weit weg waren und sich nun im Bauch wieder melden, Ahnungen, die ihm den Atem nehmen oder die Fenster zur Zukunft aufstoßen. Es entstehen eigene Geschichten, die in der das Leben bildenden Lebensgeschichte einen legitimen Platz einnehmen. Ich weiß nicht wie es ihnen ging. Mir wurde bei diesen 56 Buchstaben ganz grau zu Mute. Ich erlebte etwas und lebe nun mit etwas. Lag das am Frosch, am Wasser, am Teich?

Springen wir jetzt von Edo, der Hauptstadt des mittelalterlichen Japans, in die Gegenwart. Und da treffen wir hier auch auf Kunst, bildende Kunst, Bilder von Elke Heber. Nehmen wir eines. Und damit wir nicht zu allzu analytischen Vergleichen verführt werden, gehen wir an den Teichbildern vorbei und vertiefen uns in das Bild mit dem Rittersporn, den „Ritterspörnern aus Dresdens Rosengarten über Rauschenbergs Fahrrad und Tinguelys Dampfmaschine “.
Auch hier die Fakten: über einem grünen Feld mit angedeuteten Objekten steht der blaue Rittersporn. Mehr nicht. Aber es reicht aus. Ich weiß auch in diesem Falle nicht wie es ihnen geht - aber in mir baute sich, als ich das Bild zum ersten Male im hellen Atelier Elke Hebers sah, eine wahrhaft euphorische Stimmung auf, so als wenn mir etwas gutes wiederfahren wäre. Eine Geschichte entstand, deren Personage ich momentan nicht identifizieren kann, deren Örtlichkeiten jetzt im vagen bleiben, die aber zum festen Bestandteil meiner Lebensgeschichte wurde, die wie besuchte Städte, wie Menschen Situationen, Ideen, gutes oder schlechtes Essen usw. das Netz vorknüpfen an dem ich mich durch mein Leben hangele.
Lag es nun am Rittersporn, an den vetsteckten Objekten, am grünen Gras?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Bilder mir Erlebnisse bescheren, die ich ansonsten nicht gehabt hätte, in mir wären diese Geschichte nicht entstanden, wenn nicht die Bilder dagewesen wäre. Und mein Leben wäre ein bisschen kürzer gewesen.

Die Frage ob Elke Heber das genauso gewollt hat, wie es sich dann in mir und möglicherweise in ihnen erzählt hat, ist nicht relevant. Sie hat auch ihre Geschichten und sie hat uns Bausteine überlassen um daraus unsere Geschichten zu erzählen. Den Rittersporn, das Gras und alles drum herum.

Wie damals Bashõ mit dem Frosch, dem Teich und allem drum herum. Wie das alles nun wirklich funktioniert gehört letztlich in den Bereich des unerklärlichen. Schon vor 400 Jahren und noch früher und hoffentlich noch eine Weile hin.

Meine Damen und Herren, sie haben eine sehenswerte Ausstellung vor sich und in den Bildern von Elke Heber liegen auch ihre Geschichten. Sie müssen sie sich nur noch erzählen.

Lothar Rericha, 08.08.09